Der russische Büffel
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Der russische Büffel

wird zum österreichischen Stier

Mit der Su-29 entwickelte die 1939 gegründete Firma Sukhoi ein Trainingsflugzeug für das russische Militär. Dementsprechend wurden weder bei der Entwicklung noch bei der Fertigung Kosten und Mühen gespart. Das Kunstflugzeug erfordert eine unglaublich komplexe Bedienung. Zwar wird der Pilot beispielsweise durch eine automatische Luft-Benzin-Gemischverstellung entlastet, jedoch ist alleine schon das Anlassen eine Prozedur. Der Starter, durch Luftdruck angetrieben, bläst Sauerstoff in die im Takt befindlichen Zylinder.

Ein gleichzeitig gezündeter Funkenregen erweckt den Sternmotor zum Leben, welcher mit unvergleichlichem Sound begeistert. Der 360 PS Wedenejew M-14 P, ein 9-Zylinder-Sternmotor mit Kompressor, treibt den Propeller mit satten 2,6 Metern Durchmesser an. Der Lamellen-Verschluss vor dem Motor, der wie ein Kameraverschlusssystem arbeitet, dient zur Temperaturregelungder Zylinder. Auch hier ist der Pilot gefordert, immer die richtige Betriebstemperatur einzuhalten.

Sieht man sich die Bauweise der Su-29 im Detail an, so ist alles ausschließlich nach militärischen Standards gefertigt. Die Leitungen sind für die jeweiligen Funktionen farblich gekennzeichnet: Luft blau, Sprit Gelb, Öl braun. Alle Schalter und Bedienelemente sind extrem massiv gefertigt. Alleine das Notabwurfsystem der Cockpit-Haube ist so ausgeklügelt konstruiert, dass es sich kontrolliert aus der Verankerung löst. Eine Fehlbedienung am Boden würde einen Mechaniker mindestens acht Stunden beschäftigen, um dieses wieder funktionstüchtig zu machen.

Das Fahrwerk besteht aus zwei gefrästen und anschließend verschweißten Titanprofilen. Die Flächen, das Höhen- und Seitenleitwerk sind aus Kohlefaser, genau wie das hintere Rumpfteil. Der Kabinenbereich des Tandemzweisitzers ist eine Gitterrohrkonstruktion. Sieht man sich die riesigen Querruder an, so ist man erst mal nicht verwundert, dass diese die Unterstützung von Spades (Schaufeln zur Verringerung der Querruderkräfte) verlangen – und das gleich zwei Mal pro Ruder. Noch weniger wundert der extrem große und massive Steuerknüppel. Die Su-29 ist während des Kunstfluges nur mit zwei Händen am Knüppel zu fliegen. Ein durchlaufendes Steuerseil und ein unglaublich langer Weg der Pedale minimieren auch am Seitenruder die hohen Kräfte. Mit all seinen Komponenten und seiner extrem komplexen Bedienung ist der russische Büffel eigentlich komplett „over engineered“ und alles andere als leicht zu fliegen.

Vergleicht man die Su-29 mit einem westlichen Kunstflugzeug wie einer Edge 540 oder Extra 300, so braucht sie rund vier Mal so viele Wartungsstunden. Auch der Pilot benötigt denselben Faktor mehr an Trainingsstunden wie für die kleineren und leichteren Kunstflugzeuge aus den USA und Deutschland. Zum einem liegt das an dem extremen Drehmoment und Kreiseleffekt des riesigen Propellers. Zum anderen liegt es an der wuchtigen Motorverkleidung (Cowling) und dem daraus resultierenden großen Luftwiderstand sowie an den 1,2 Tonnen Abfluggewicht, welches die Su-29 rund die Hälfte schwerer macht als die Edge.

DieSukhoi Su-29 der Flying Bulls wurde im Jahr 2002 hergestellt. Sie ist eines der Modelle, das für den amerikanischen Markt bestimmt war. So wurden diese Maschinen werksseitig mit hochwertigen Komponenten wie „Cleveland“-Bremsen, der Avionik der westlichen Welt und einem speziellen „Fuel Computer“ ausgestattet. Jeder einzelne Arbeitsschritt ist dokumentiert. Somit hat die Su-29 eine lückenlose Historie und für jedes Bauteil eigens ein geprüftes und gestempeltes Dokument. Als sie in den Besitz der Flying Bulls überging, war sie aus zweiter Hand und hatte gerade mal 130 Flugstunden auf der Zelle und dem Motor. Die Su-29 war quasi wie neu.

Die Sukhoi ist ein einzigartiges Kunstflugzeug, schwierig zu fliegen, kritisch im Grenzbereich, jedoch zeigt sie im Kunstflug-Einsatz einzigartige Talente, die allerdings auch beherrscht sein wollen. Außerdem begeistert sie mit derüberperfekten Technik und nicht zuletzt mit dem einzigartigen Sound ihres Sternmotors. Durch ihre schiere Größe wirkt der nunmehr österreichische Bulle neben Edge, Extra und Co. fast schon wie ein Flugsaurier neben einem Adler.

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