Mehr erfahren
Teilen

Eine alte Dame mit königlicher Genehmigung

60 Jahre Bristol 171 Sycamore

Sie ist so einzigartig wie faszinierend! Die Bristol 171 Sycamore der Flying Bulls feiert ihren 60. Geburtstag. Dabei sind nicht nur ihre aus Ahornholz gefertigten Rotorblätter ein absolutes Unikum, auch ist die Sycamore aus dem Hangar-8 die weltweit einzig flugklare Maschine ihres Typs. Von ihren außergewöhnlichen Flugeigenschaften ganz zu schweigen. Aber alles der Reihe nach…

1957 im englischen Weston-super-Mare für die deutsche Bundeswehr gefertigt war die Maschine mit der Kennung 13475, die sich heute bei den Flying Bulls befindet, eine von zwei Exemplaren im damaligen VIP-Anstrich. Alle anderen der insgesamt 50 gefertigten Sycamores für die deutsche Bundeswehr trugen den damals üblichen olivfarbenen Militäranstrich. Nach der Beendigung ihrer militärischen Laufbahn 1969 führte sie ihre Reise zuerst über zwei Besitzer nach Deutschland und dann weiter in die Schweiz zu dem flugzeugbegeisterten Weinbauern Peter Schmid. In diese Zeit erhielt der Helikopter nicht nur einen völlig neuen, sondern zugleich einmaligen Look. Mit offizieller Genehmigung der Queen of England wurde die Maschine auf das Aussehen der letzten in England geflogenen Sycamore umlackiert – zu Ehren der Royal Air Force. Dieses auffällige Kleid trägt sie noch heute.

Wie gelangt eine derartige Maschine in die Obhut der Flying Bulls? An dieser Stelle kommt Dieter Hasebrink ins Spiel, ehemaliger Techniker bei der Deutschen Bundeswehr und Sycamore-Kenner bis ins kleinste Detail. Seitdem die Bundeswehr die Helikopter vom Typ Bristol 171 in den 1968/1969ern durch andere ersetzten und an Zivilisten verkauften, „seit dieser Zeit läuft jede dieser Maschinen durch meine Hand“, erklärt Hasebrink. Dementsprechend war er während der gesamten Zeit der Sycamore in Laubfrosch grüner Lackierung als Wartungsspezialist unabdingbar. Aber der Besitzer Peter Schmid hatte irgendwann keine Lust mehr. Durch einen Zeitungsartikel auf Chefpilot Siegfried „Blacky“ Schwarz aufmerksam geworden dachte Hasebrink „Das ist der richtige Mann“ und schrieb ihm 2007 einen Brief. Monate später läutete bei dem Techniker das Telefon – „Hier ist der Siegfried Schwarz wegen der Sycamore.“ Dies war der Auftakt! Drei Jahre später übersiedelte die Bristol 171 zu den Flying Bulls nach Salzburg. Weil es keinen einzigen Piloten mehr gab, der die Grande Dame fliegen konnte, erfolgte dies per Straßentransport.

Was ist es, das die Sycamore so speziell macht? Es ist im Grunde alles. Mangels lizenzierter Piloten und Techniker erstellten Blacky Schwarz und Dieter Hasebrink gemeinsam ein Testflugprogramm zum Erhalt der Fluglizenz durch die Austro Control. Der Zulassungsprozess war insofern extrem aufwendig, als mit der Bristol 171 Sycamore erstmalig eine Maschine diesen Typs eine österreichische Zulassung erhielt.

Die parallel zur Theorie erfolgte praktische Einweisung stellte selbst den ausgewiesenen Experten Dieter Hasebrink und sein Team immer wieder aufs Neue vor enorme Herausforderungen. Sei es bei der Überholung des Motors oder der Einstellung der Ventile. Als technisches Charakteristikum der alten Dame nennt er die speziellen Rotoreinstellungen, deren statische Auswuchtung viel Wissen und Feingefühl erforderte. Mittels einer Waage wird das schwerste Rotorblatt ermittelt, das als Basisblatt dient. Alle weiteren Blätter werden an den Laschen mit Gewicht befüllt, damit jedes Blatt gleich schwer ist. Dieses ausgefeilte Procedere ist „beim Fliegen mit diesem Helikopter das A und O“, betont Hasebrink, „da die gesamte Steuerung bei der Sycamore mechanisch erfolgt.“

Erschwerend kam hinzu, dass sich Siegfried Schwarz das Fliegen der Bristol 171 Sycamore im Alleingang beibringen musste – gab es doch weltweit keine einzige aktive Person mit einer gültigen Lizenz. Dazu musste ein enormes Pensum an Anforderungen „abgeflogen“ werden: Neben 5 Stunden Schwebeflug standen Flüge in zig verschiedenen Höhen und Geschwindigkeiten sowie das Einüben des Notfallprogramms (Autorotation im Falle eines Motorausfalls) an der Tagesordnung des Chefpiloten der Flying Bulls. Stets an seiner Seite: Dieter Hasebrink. Mit angehaltenem Atem erinnert dieser sich an den Erstflug von Siegfried Schwarz mit der Sycamore. Ihre unverkennbare Spezialitäten sind der riesige Hauptrotor mit einem gigantischen Durchmesser von 14,80 Metern sowie die Flüssigkeitstrimmung, mit der 27 Kilo Wasser über ein Pumpen- und Leitungssystem in Längsrichtung bewegt werden können. „Das erfordert viel Fingerspitzengefühl!“ Beim ersten Start legte Siegfried Schwarz einen Steilstart hin und zwar so dicht über dem Boden, dass die Sycamore hinten mit dem Sporn am Boden auflag. Doch Schwarz „schaffte es, die Maschine wieder in den Wind zu drehen. Wie schnell er sie ruhig in der Hand hatte. Respekt. Das war beeindruckend gut!“, staunt Hasebrink noch Jahre später.

All diese Mühen, die tausenden an Wartungsstunden und Handgriffe, der unermüdliche Einsatz von Hasebrink und seinem Techniker-Team sowie der Mumm und die Ausdauer im Erlernen der Flugeigenschaften von Blacky Schwarz lohnten sich letztlich: Am 1. Februar 2016 erhielt die Sycamore die Musteranerkennung der Austro Control und befindet sich seither mit dem Kennzeichen OE-XSY in offiziellem Einsatz für die Flying Bulls. Was dies für den Techniker Dieter Hasebrink bedeutet? „Die absolute Erfüllung, den Endpunkt in meiner Sycamore-Geschichte.“ Und für Siegfried Schwarz und die Flying Bulls? Für sie ist die Suche nach einem weiteren einmaligen Fluggerät als Teil der fliegenden Bullen auf ihrem Höhepunkt angekommen. Erst sie haben die Bristol 171 Sycamore mit ihren beispiellosen Eigenschaften zu dem gemacht, was sie heute ist: zu dem weltweit einzigen flugfähigen Exemplar dieser Sorte.

Happy Birthday, Sycamore!

Empfohlene Themen

Zum Anfang